Von Helga Dieter (Courage gegen Rassismus)
Beim Kramen im Gedächtnis und auf der Festplatte fanden wir die folgende 20 Jahre alte „Erklärung Rödelheimer Organisationen“. Die Bedeutung und Aktualität des Dokuments sprechen für sich und müssen nicht lange erläutert werden.
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VOR 20 JAHREN:
Erklärung Rödelheimer Organisationen zu den Terroranschlägen in den USA und der drohenden militärischen Vergeltung
Frankfurt-Rödelheim, den 24.9.2001
Das Entsetzen über die menschenverachtenden Terroranschläge in den USA, die mitfühlende Trauer mit den Hinterbliebenen der Opfer, und die Angst vor einer kriegerischen Zukunft hat uns zunächst sprachlos gemacht. Die schlimmsten Folgen dieser abscheulichen Tat haben die Betroffenen in Amerika zu tragen, aber auch unser Leben wird sich durch diesen Akt des blanken Terrors ändern – auch in Rödelheim. Deshalb wollen wir unseren Ängsten und Bedenken Ausdruck geben.
Spontane Rachegefühle sind bei diesem maßlosen Verbrechen menschlich nachvollziehbar. Sie dürfen aber die politischen Reaktionen nicht bestimmen, das entspräche sonst den primitiven Regeln der Blutrache und stünde im Widerspruch zu den religiösen Geboten und jeder zivilisierten Rechtsstaatlichkeit. Demnach sind die Täter ausfindig zu machen und vor ein internationales Gericht zu stellen.
Niemand weiß bis heute, wen genau ein Vergeltungsschlag der Amerikaner oder der Nato treffen soll, doch schon jetzt gibt es zigtausendfaches Flüchtlingselend in Afghanistan; in Pakistan droht ein Bürgerkrieg; bei uns werden bereits viele Muslime, nicht nur von der Boulevardpresse, der geheimen Sympathien für die Verbrechen verdächtigt, kriminalisiert und einige bereits an Leib und Leben bedroht.
Rache, Vergeltung und Krieg werden weitere unschuldige Menschenleben kosten; die Folgen einer Eskalation der Gewaltspirale sind nicht absehbar, auch nicht für die verantwortlichen Politiker. Militärschläge nutzen weder den Opfern noch verhindern sie terroristische Anschläge in der Zukunft. Im Gegenteil ist zu befürchten, daß dadurch neue Fanatiker produziert werden.
Gegen Terroristen, die andere skrupellos mit in den Tod reißen, gibt es keinen völligen Schutz. Ihrer Entstehung und Entwicklung muß durch eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung der Nährboden entzogen werden.
Die beabsichtigten gesetzlichen Verschärfungen gegen Einwanderer und die Einschränkung unserer Bürgerrechte werden nun mit den Terroranschlägen in Amerika legitimiert, obwohl es kaum plausible Zusammenhänge gibt, denn bereits jetzt existieren besondere Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus.
Wir rufen alle Menschen in Rödelheim dazu auf, in ihrem Bekanntenkreis darauf hinzuwirken, daß Trauer und Wut nicht in den Ruf nach militärischer Vergeltung, unter Inkaufnahme neuer unschuldiger Opfer, umschlagen.
Unterzeichner bis zum 24.9.2001:
Arbeiterwohlfahrt Rödelheim
Bündnis 90 / Die Grünen Stadtteilgruppe und Fraktion im Ortsbeirat 7
Courage gegen Rassismus e.V.
die farbechten im Ortsbeirat 7
Friedensinitiative Rödelheim
Gruppe Stadtteilerkundung
Jugendhaus Rödelheim (Team)
Jugend- und Kulturinitiative Rödelheim e.V.
katholische Kirchengemeinde St.Antonius (Pfarrer Dr. Robert Nandkisore)
Pfarrerinnen Bettina Daum und Elke Klee (evangelische Cyriakusgemeinde)
RaUM – Jugendeinrichtung der ev.Cyriakusgemeinde
Raumstation Rödelheim
SPD Rödelheim
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Was können wir heute tun? Das einfachste ist, Parteien bzw. Abgeordnete zu wählen, die gegen das Geschäft mit dem Tod eintreten, man kann sich bei Aktionen gegen Waffenproduktion und Waffenexporte engagieren und vielleicht neue Ideen sowie Energie in die ‚Friedensinitiative Rödelheim‘ einbringen (mittwochs 20.00 im Cyriakus-Gemeindehaus, Alexanderstr. 37 HH).
Wie können wir helfen? Ich persönlich empfehle Spenden an ‚medico international‘
medico international, IBAN: DE21 5005 0201 0000 0018 00, BIC: HELADEF1822
Oder für Frauen und Mädchen in Afghanistan Spendenkonto medica mondiale:
Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE92 3705 0198 0045 0001 63 , BIC: COLSDE33
– Helga Dieter, Rödelheim